
Ungarn beschließt Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof
Ungarns Parlament hat heute den Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beschlossen. Diese Entscheidung war bereits Anfang April 2023 angekündigt worden. Der Schritt erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem sich die politischen Spannungen zwischen Ungarn und internationalen Institutionen weiter zuspitzen.
Die Ankündigung des Austritts fiel zusammen mit dem Besuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu in Ungarn. Der IStGH hatte gegen Netanjahu einen Haftbefehl wegen seiner Rolle im Gaza-Krieg erlassen, den Ungarn jedoch nicht vollstreckte. Dies wirft Fragen zur Rechtstaatlichkeit und zur Rolle Ungarns in der internationalen Gemeinschaft auf. Außenminister Peter Szijjarto äußerte sich in einem Facebook-Video und kritisierte den IStGH, den er als „unseriös und politisch motiviert“ bezeichnete. Er bezeichnete den Haftbefehl gegen Netanjahu als „politisch inakzeptabel“.
Ungarns Rolle in der EU und internationale Reaktionen
Ungarn ist der erste Mitgliedstaat der Europäischen Union, der aus dem Römischen Statut austritt, welches die Grundlage für den IStGH bildet. Die EU hat in der Vergangenheit betont, dass sie eng mit dem Gericht in Den Haag zusammenarbeiten möchte, um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen. Der IStGH hat die Aufgabe, Verdächtige wegen schwerster Verbrechen wie Völkermord und Aggression zur Rechenschaft zu ziehen. Politisch und militärisch Verantwortliche, einschließlich Staats- und Regierungschefs, sind von der Immunität ausgeschlossen.
Die Entscheidung Ungarns könnte weitreichende Folgen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und dem IStGH haben. Es stellt sich die Frage, wie andere EU-Mitgliedstaaten auf diesen Schritt reagieren werden und ob Ungarn möglicherweise Vorbild für ähnliche Bestrebungen in anderen Ländern wird. Bisher sind nur die Philippinen und das afrikanische Burundi aus dem IStGH ausgetreten, was die Bedeutung des ungarischen Austritts unterstreicht.
Historische Hintergründe und zukünftige Perspektiven
Ungarn hatte das Römische Statut im Jahr 1998 ratifiziert. Der Parlamentsbeschluss dazu erfolgte am 6. November 2001, und die Ratifizierung wurde am 30. November 2001 bei den Vereinten Nationen hinterlegt. Diese Entscheidung fiel unter der ersten Regierung von Viktor Orban, der auch derzeit im Amt ist. Interessanterweise wurde der Text des Römischen Statuts zwar ratifiziert, jedoch nie als Gesetz im ungarischen Amtsblatt veröffentlicht. Trotzdem führte die Ratifizierung dazu, dass Ungarn offiziell als Vertragsstaat des IStGH anerkannt wurde.
Der Austritt aus dem IStGH könnte Ungarn in eine isolierte Position innerhalb der internationalen Gemeinschaft bringen, insbesondere in Hinblick auf die Menschenrechtslage und die Einhaltung internationaler Rechtsstandards. Beobachter werden genau verfolgen, welche Auswirkungen dieser Schritt auf die ungarische Außenpolitik und die Beziehungen zu anderen Ländern haben wird.
Quelle: https://orf.at/stories/3394385/

